Digitale Identität ausgewählter Organisationen der Sozialwirtschaft: Eine quantitative Analyse des digitalen HR Marketings

Ein Beitrag von Lothar Winnen

Lothar Winnen

Die Ausgangslage

Als eine der Folgen des Fachkräfte- sowie Arbeitskräftemangels gestaltet es sich für viele Unternehmen – in großen Teilen auch in der sozialen Wirtschaft – immer schwerer, offene Arbeitsstellen adäquat, oder überhaupt zu besetzen (Klaus & Beckmann, 2018).

 

Aus diesem Grund gewinnt die umfangreiche und zunehmend professioneller werdende Rekrutierung von Mitarbeiter:innen im „War for Talents“ zunehmend an Bedeutung (Bossler, Gürtzgen, Kubis & Moczall, 2018).

Infolgedessen nutzen bereits mehr als 95% der Unternehmen Social Media, um ihre Stellen nachhaltig zu besetzen (Petry, Schreckenbach & Knabenreich, 2018).

 

Zudem wird deutlich, dass bei über 80% der Unternehmen die Befürchtung auftritt, dass sie ohne das mobile Recruiting zukünftig keine guten und für sie qualifizierten Mitarbeiter:innen  mehr für ihr Unternehmen gewinnen können (Weitzel, Maier, Weinert, Pflügner, Oehlhorn & Wirth, 2020).

 

Somit wird es umso wichtiger, eine qualitativ hochwertige Kommunikation von Seiten der Unternehmen an die (latent) Wechselwilligen zu gewährleisten, denn „die Professionalität des Social Media Einsatzes […] und die Unternehmensreputation […] [stehen] in einem statistisch signifikanten Zusammenhang zum Stellenbesetzungserfolg“ (Winnen, Schrader & Tirrel, 2021, S. 173).

 

Werden diese Fakten zusammengefasst, kann festgehalten werden, dass Unternehmen durch jede ihrer Online-Aktivitäten, in welchen sie klar zu identifizieren sind, ihre eigene digitale Identität bilden oder auch ausbauen (Tirrel & Winnen, 2019).

 

Das primäre Ziel dieser Studie soll es daher sein, die digitale Identität ausgewählter Unternehmen und Organisationen der Sozialwirtschaft, welche Mitglied in dem Verband diakonischer Dienstgeber in Deutschland e.V. (VdDD) sind, zu analysieren und so anhand objektiver, sowie öffentlich zugänglicher Kriterien zu bewerten.


Das methodische Vorgehen

Damit die digitale Identität im Personalmarketing untersucht werden konnte, wurde ein Kodierleitfaden mit 86 Bewertungskriterien entwickelt, welcher die unten gegebenen sieben Kanäle adressiert:

 

1. Karriereseite der Organisation

2. Kununu Profil

3. LinkedIn Profil

4. Instagram Profil 

5. Facebook Profil 

6. Google My Business Profil

7. Xing Profil

 

Alle untersuchten Kanäle sind für die Organisationen von großer Bedeutung, um sich online als ein attraktiver Arbeitgeber zu präsentieren.

 

Damit die wissenschaftliche Qualität des Fragebogens sichergestellt werden konnte, wurde ein Pretest durchgeführt, aus welchem sich ergab, dass 79% der aufgeführten Kriterien von zwei unabhängigen Personen im gleichen Maße bewertet wurden.

 

Der damit zusammenhängende Cohen´s Kappa Wert, welcher die Stärke einer Übereinstimmung als einen sogenannten Inter-Kodier-Reliabilität misst (Cohen, 1960), ist mit einer Übereinstimmung von 0,62 als substanziell (nach Landis & Koch, 1977) oder auch als gut (nach Altman, 1991) zu bewerten.

In einem nächsten Schritt wurden dann die Daten der 35 Mitgliedsorganisationen des Verbands diakonischer Dienstgeber in Deutschland e.V. (VdDD) und ebenso fünf weiterte Organisationen und Unternehmen außerhalb des VdDDs mit Hilfe der so genannten unauffälligen Messung ermittelt.

Innerhalb dieser Datenerfassungsmethode, welche auf Webb, Campbell, Schwartz und Sechrest (1966) zurückzuführen ist, ist es möglich, die Daten, welche auf Texten, Bildern, sowie auf online verfügbaren Daten basieren, ohne die aktive Mitwirkung, oder auch ohne das Wissen des Untersuchungsgegenstand (in diesem Falle die Unternehmen und Organisiationen) erhoben werden, weil sie öffentlich zugänglich sind (Lee, 2018; Lee, 2000).

Bei der Anwendung von unauffälligen Messungen eignen sich insbesondere Informationen von online verfügbaren Datenbanken, Unternehmenswebsites oder Social Media Profilen (Hill et al., 2014; Lee, 2018; Rasmussen & Thimm, 2015; Short, McKenny & Reid, 2018).


Die Ergebnisse

Um eine bessere Vergleichbarkeit der Organisationen sowie auch Kanäle sicherstellen zu können, wurden die Ergebnisse in Tabellenform zusammengefasst. In dem Zusammenhang wurde pro Organisation zum einen ein Gesamtscorewert in Prozent, sowie Scorewerte in Prozent pro Kanal erhoben.

 

In einem weiteren Schritt wurden zudem die 35 untersuchten Unternehmen anhand ihrer Gesamtscorewerte in vier Gruppen eingeordnet, um die Unterschiede deutlicher hervorheben zu können (vgl. Tabelle 1).

In der vorliegenden Tabelle wird ersichtlich, dass auch die am besten abschneidende Organisation „nur“ einen Gesamtscorewert von 62% erreichen konnte.

 

Im Vergleich dazu konnte das Unternehmen mit dem geringsten Gesamtscorewert insgesamt „nur“ 13% erzielen.

Daraus lässt sich schließen, dass viele der untersuchten Unternehmen der Sozialwirtschaft bereits umfassend in digitales Personalmarketing investiert haben und so auch auf verschiedenen Social Media Plattformen aktiv vertreten sind.

Auffällig ist jedoch, dass viele Unternehmen ein LinkedIn Profil erstellt haben, dieses aber nicht kontinuierlich mit Content bespielen, weshalb die Scorewerte eher gering ausfallen.

Xing hingegen wird von einigen Unternehmen bespielt, das Profil ist mit den notwendigen Informationen angelegt.

Betrachtet man die Google Unternehmensprofile (Google My Business Profile), zeigt sich, dass viele Unternehmen den Kanal nicht als relevant für HR-Marketing ansehen.

Dies ist jedoch falsch, da oftmals der erste Kontakt zum Unternehmen über die Google-Suche erfolgt und hier auch oftmals Arbeitgeber-Bewertungen zu finden sind.

Die Karrierewebsite hingegen wird von den meisten Unternehmen als relevant erachtet und so auch dementsprechend gepflegt.

Die Plattform Kununu wird im Schnitt ebenfalls als relevanter HR-Marketing-Kanal angesehen, jedoch besteht hier noch weiterer Handlungsbedarf, z.B. das regelmäßige Antworten auf Rezensionen.

Auswertung der Studie in einer Tabelle zusammengefasst

Interpretation & Praktische Handlungsempfehlungen

Die Ergebnisse der Studie zeigen sowohl Erfolge als auch diverse Defizite auf.

Im Grundsatz wird herausgestellt, dass die untersuchten Organisationen grundlegend verstanden haben, wie wichtig HR-Marketing-Maßnahmen für sie sind, jedoch scheitert es oftmals an der Umsetzung.

Entweder werden Kanäle nur in Ansätzen bespielt, oder schlichtweg vergessen.

Das größte Handlungspotential besteht auf den Kanälen Google My Business / Google Unternehmensprofilen, Kununu und auf der eigenen Karrierewebsite, da diese drei Personalmarketinginstrumente im größten Teil kostenlos zu verwenden sind und zudem mit recht überschaubaren Ressourcen zu pflegen ist.

 

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Literatur

  • Altman, D.G. (1991). Practical Statistics for Medical Research (Chapman & Hall / CRC Texts in Statistical Science). Taylor & Francis Ltd. 
  • Bossler, M., Gürtzgen, N., Kubis, A., & Moczall, A. (2018). IAB-Stellenerhebung von 1992 bis 2017: So wenige Arbeitslose pro offene Stelle wie nie in den vergangenen 25 Jahren. IAB-Kurzbericht (No. 23/2018). Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB). https://www.iab.de/897/sec-tion.aspx/Publikation/k181002v05 [letzter Zugriff: 11. November 2021].
  • Cohen, J. (1960). A coefficient of agreement for nominal scales. Educational and Psychological Meas-urement, 20, 37–46.
  • Hill, A.D., White, M.A., & Wallace, J.C. (2014). Unobtrusive measurement of psychological constructs in organizational research. Organizational Psychology Review, 4(2), 148-174.
  • Klaus, A., & Beckmann, R. (2018). Fachkräfteengpassanalyse. Bundesagentur für Arbeit, Statistik/Ar-beitsmarktberichterstattung, Berichte: Blickpunkt Arbeitsmarkt – Fachkräfteengpassanalyse. Nürnberg.
  • Lammenett, E. (2020). Online Marketing Konzeption 2020: Der Weg zum optimalen Online Marketing Konzept (5. Aufl.). Eigenverlag.
  • Landis, J.R., & Koch, G. G. (1977). The measurement of observer agreement for categorical data. Bio-metrics, 33(1), 159-174. doi:10.2307/2529310.
  • Lee, R.M. (2000). Unobtrusive methods in social research. Open University Press. 
  • Lee, R.M. (2018). Unobtrusive Methods. In P. Liamputtong (Hrsg.), Handbook of Research Methods in Health Social Sciences (S. 1-17). Springer. https://doi.org/10.1007/978-981-10-2779-6_85-1
  • Petry, T., Schreckenbach, F., & Knabenreich, H. (2018). Social Media Personalmarketing Studie 2018. https://www.dropbox.com/s/g394bnoqdx8e0il/Social-Media-Personalmarketing-Studie-2018_Gek%C3%BCrzter-Ergebnisbericht.pdf?dl=0 [letzter Zugriff: 04. Mai 2021].
  • Rasmussen, K.B., & Thimm, H. (2015). Circumventing nonresponse - upgrading traditional company survey data with unobtrusive data from company websites. Bulletin of Sociological Methodol-ogy/Bulletin de Méthodologie Sociologique, 127(1), 85–96.
  • Short, J. C., McKenny, A.F., & Reid, S.W. (2018). More Than Words? Computer-Aided Text Analysis in Organizational Behavior and Psychology Research. Annual Review of Organizational Psychology and Organizational Behavior, 5(1), 415–435.
  • Tirrel, H., & Winnen, L. (2019). Die digitale Identität der DAX-30-Unternehmen aus Sicht des Personal-marketings 2.0. In L. Winnen, A. Rühle, & A. Wrobel (Hrsg.), Innovativer Einsatz digitaler Medien im Marketing: Analysen, Strategien, Erfolgsfaktoren, Fallbeispiele (S. 29-46). Springer Gabler.
  • Webb, E., Campbell, D.T., Schwartz, R.D., & Sechrest, L. (1966). Unobtrusive measures: Nonreactive research in the social sciences. Rand McNally.
  • Weitzel, T., Maier, C., Weinert, C., Pflügner, K., Oehlhorn, C., & Wirth, J. (2020). Mobile Recruiting: Ausgewählte Ergebnisse der Recruiting Trends 2020, einer empirischen Unternehmens-Studie mit den Top-1.000-Unternehmen aus Deutschland sowie den Top-300-Unternehmen aus der Branche IT und der Bewerbungspraxis 2020, einer empirischen Kandidaten-Studie mit Antworten von über 3.500 Kandidaten. https://www.uni-bamberg.de/fileadmin/uni/fakultaeten/wiai_lehrstu-ehle/isdl/Recruiting_Trends_2020/Studien_2020_02_Mobile_Recruiting_Web.pdf [letzter Zu-griff: 07. September 2021].
  • Winnen, L., Schulte, S., & Tirrel, H. (2021). Der Einfluss von Social Media (im Employer Branding) auf den Stellenbesetzungserfolg: Eine quantitative Analyse. In: H. Tirrel, L. Winnen, & R. Lanwehr (Hrsg.), Digitales Human Resource Management. Aktuelle Forschungserkenntnisse, Trends, und Anwendungsbeispiele (S. 173-194). Springer Gabler.

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